Bissiges

November 15, 2013

Die Schüler abholen …

Filed under: Schülerverhalten,Unterricht — laempel @ 5:59 pm
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Ja wo sind sie denn? Anna ist in Gedanken bei dem Chat mit ihrem Freund aus der Oberstufe, den sie wegen des Klingelns abbrechen musste. Mike liegt mit dem Kopf auf dem Tisch, offenbar übermüdet von der nächtlichen Orgie an der Videokonsole und über die Hälfte meldet sich bei der Hausaufgabenabfrage: „Ich wusste nicht, was wir machen sollten.“ Die andere Hälfte ist so ehrlich und gibt zu, dass sie die Aufgabe vergessen, also keine Lust gehabt hat.

Als Lehrer soll man die Schüler „da abholen, wo sie stehen“. Das ist eine dieser vom Studium über Referendariat bis zu Fortbildungsveranstaltungen so oft wiederholten Sätze, dass er inzwischen bei nicht wenigen allergische Reaktionen auslöst (geht diese Phrase eigentlich auf Hilbert Meyer zurück?). Allerdings merkwürdig, dass noch niemandem der Widerspruch zur gleichfalls geltenden Doktrin des selbständigen Lernens ins Auge gefallen ist. Beim Abholen nehme ich die Schüler an die Hand und führe sie da hin, wo sie gehen sollen. Und offenbar erwarten sie genau das. Zurückgelehnt in Konsumentenhaltung wird alles abgelehnt, was mehr Anstrengung als einen Mausklick erfordert. Wäre es zur Abwechslung nicht mal vielversprechender, wenn sich unsere Schülerchen selbst in Bewegung setzen und eigene Anstrengungen unternehmen würden, sich dem Lerngegenstand zu nähern?

(OK, OK, es gibt auch andere und dann macht das Unterrichten Spaß, aber wenn sich in einer Klasse eine kritische Masse an Konsumenten — in Verbindung mit den passenden Eltern — befindet, dann wird es schwierig. Es stellt sich ein Gefühl ein, als ob man versucht, den Grand Canyon hinaufzuschwimmen, wobei von oben immer wieder Felsbrocken in die Strömung geworfen werden.)

Februar 19, 2011

Karl-Theodor-Ich-habe-mir-nichts-vorzuwerfen-Guttenberg

Filed under: Politik,Schülerverhalten — laempel @ 2:10 pm
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Ist das nicht herrlich? In Afghanistan sterben (nicht nur) deutsche Soldaten, die Bundeswehr (und mit ihr die Bundeswehrstandorte) steht vor der größten Umstrukturierung ihrer Geschichte, und die Öffentlichkeit muss sich damit auseinandersetzen, ob der Verteidigungsminister geschummelt hat.

Interessant ist an dieser ganzen Geschichte das Verteidungsmuster, in das der Freiherr jedesmal verfällt, wenn es darum geht, persönlich Verantwortung zu übernehmen. So z.B. in der Kundus-Affäre, in der mindestens 90 Zivilisten bei dem von Deutschen angeordneten Angriff auf von Taliban gestohlene Tanklastzüge ums Leben kamen. Erste Reaktion: „Ich stelle mich medienwirksam hinter meine Truppe, indem ich erkläre, dass dieser Angriff militärisch notwendig war.“  Zweite Reaktion, als  diese Sichtweise nicht mehr zu halten ist: „Wie komme ich da wieder raus? Ach ja — mir sind Informationen vorenthalten worden; dann müssen natürlich Köpfe rollen, aber es ist immerhin nicht meiner.“ (Jedem Lehrer ist dieser Reflex sattsam bekannt: „Die Hausaufgaben konnte ich nicht machen, mir hat keiner gesagt, was auf war.“)

Man vergleiche seine Reaktionen zu den Plagiatsvorwürfen: Zunächst erst einmal Stillschweigen; schließlich hat man als Verteidigungsminister Wichtigeres zu tun. Wahrscheinlich war sein erster Impuls, ähnlich wie in der Kundus-Affäre zu verfahren: „Für die Fehler in der Doktorarbeit kann ich nichts, schließlich wurde sie von XY geschr… Upps.“

Deshalb nun eine neue Strategie,  eine Presse-Erklärung vor ausgewählten Journalisten: Sehr schön zunächst der medienwirksame Einfall, den Doktortitel „ruhen“ zu lassen — so zeigt man Initiative! Aber auch die vorgeschaltete Erklärung hat es in sich: Ja, er habe Fehler gemacht; er bedauere jeden einzelnen zutiefst, aber seine Arbeit sei kein Plagiat. Bei so einer umfangreichen Arbeit, die  parallel zu seinen Aufgaben als Bundestagsabgeordneter und Familienvater angefertigt wurde (man beachte das Passiv, das er fast durchgehend verwendet), könne schon mal die ein oder andere Fußnote verrutschen.  (Auch hier wieder erstaunliche Parallelen zum Unterrichtsalltag an deutschen Schulen: Was, das halbe Referat ist Copy-and-Paste aus der Wikipedia? Also bei den Anforderungen, die derzeit an Schüler gestellt werden, kann es doch schon mal passieren, dass die Quellenangabe vergessen wurde. Außerdem hat es einem doch niemand richtig gesagt, dass man das so nicht machen darf.)

Abgesehen davon, dass es äußerst schwierig ist zu glauben, dass bei all den Passagen, die auf GuttenPlag aufgelistet wurden, die Quellenangaben durch den Druckfehlerteufel verschwunden sind, muss man sich fragen, wie jemand mit einem so ostentativ zur Schau gestellten Nichwissen in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten überhaupt bis zur Promotion gelangt ist: Doch, es ist ein Plagiat, wenn ich Zitate dieses Umfanges nicht kenntlich mache. Und wenn ich zu blöd dazu bin, dann fehlt mir schlicht und einfach die Eignung zum Studium.

Aber so kann man das natürlich nicht sehen. Ja, man hat Fehler gemacht. Ja, diese Fehler sind bedauerlich, aber in der Summe kann man dies doch dem armen Karl-Theodor nicht vorwerfen. Schließlich hat er sich zu der Zeit in äußerst schwierigen Lebensumständen befunden. Durch diese Argumentationsweise hat unser guter KT der Bedeutung „Verteidigungsminister“  eine interessante neue Dimensionen hinzugefügt, die ihm Generationen von Schülern danken werden.

Oktober 5, 2009

Markieren

Filed under: Schülerverhalten — laempel @ 10:11 pm
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Als Hundebesitzer lächelt man gern auf sein geliebtes Pelztier hinab, wenn man beobachtet, wie es durch Duftmarken das eigene Territorium markiert. Einmal das Bein gehoben und die Nachricht „Ich war hier“ ist für alle nachfolgenden Hunde bis zum nächsten Regen deutlich lesbar.

Wir Menschen sind über dieses primitive Verhalten selbstverständlich weit hinaus. Wer von uns muss schon noch ein Revier abstecken — und überhaupt, mit Urin! Zugegeben, Letzteres ist in menschlichen Kreisen aus der Mode gekommen (auch wenn noch nicht alle dies mitbekommen haben); der Mensch hat eine kultiviertere Methode gefunden, anderen sein Sein kundzutun: eine Nachricht in Schriftform.

Zu besonders großer Kunst bringen es hier Schüler, wie der gelegentliche Blick auf deren Pulte zeigt: „Latein ist Scheiße“; „P.B. war hier“; „Death Metal“ und was der kryptischen Bemerkungen mehr sind. Wird dies eigentlich als besondere Kunstform anerkannt? In jedem Fall sind solche Nachrichten dauerhafter als Urin ….

April 30, 2009

Exkursionen

In Schleswig-Holstein heißen Exkursionen seit einiger Zeit nicht mehr Exkursionen, sondern sie haben einen anderen Namen bekommen: Lernen am anderen Ort. Diesem Anspruch gerecht zu werden ist allerdings die hohe Kunst der Organisation eines Klassenausflugs.

Zwecks Motivation und Handlungsorientierung bucht Lehrkraft  den Bus zu den entsprechenden historischen/kulturellen/naturwissenschaftlichen Museen/Denkmälern/Ausstellungen (Unzutreffendes bitte streichen bzw. Fehlendes ergänzen), verzichtet dabei auf zentrale Führungen, sondern versorgt die Schüler mit selbst erstellten Aufgabenblättern, anhand derer die Einrichtungen selbstständig erkundet werden können. Voller Erwartung geht es los; beim Eintritt kann sich die Lehrkraft nicht eines leisen Lächelns erwehren ob der Schüler, die sich zielstrebig einzeln oder in kleinen Gruppen in der Ausstellung verteilen und an die Arbeit machen. Auf einen reichen Ertrag hoffend, blickt man den jungen Menschen wohlwollend hinterher.

Die stolz geschwellte Brust ob des eigenen Engagements und der guten Vorbereitung fällt jedoch schnell beim näheren Beobachten der Schüler in sich zusammen: Der eine zückt ein Fotohandy, die andere eine Digitalkamera, um Austellungsgegenstände und Texte abzufotografieren. Getreu dem Motto: Was ich im Kasten habe, kann ich getrost nach Hause tragen.

Juni 12, 2008

Autonome Lerner

Filed under: Schülerverhalten — laempel @ 9:01 pm
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Selbstgesteuertes, autonomes Lernen, das ist auch wieder eine Vorstellung, bei der jeder Oberpädagoge feuchte Augen bekommt: Nicht der Lehrer gibt Tempo, Reihenfolge und Umfang des zu lernenden Stoffes vor, sondern der Schüler organisiert seinen Lernprozess selbst, ausgehend von seinen eigenen Bedürfnissen. Kein ermüdendes Frage-Antwort-Spiel (auch „Unterrichtsgespräch genannt), auch keine künstlich erschaffenen Problemstellungen, sondern der Lernende stellt sich selbst die Fragen und löst sie dann im Anschluss. Das Ganze vorzugsweise in Gruppenarbeit, welche bekanntermaßen die Sozialkompetenz fördert (man bringt möglichst jemand anderes dazu, die ganze Arbeit zu machen, und heimst am Ende die Punkte dafür ein).

Nun aber zum selbstgesteuerten Lernen. Der Lehrer nehme eine englische Kurzgeschichte und lege sie den Schülern zur selbständigen Interpretation vor (die Königsdisziplin wäre, die Schüler selbst geeignete Texte finden zu lassen). Die erste Reaktion von Lieschen Müller oder Hänschen Meier wäre erwartetermaßen folgende: „Was ist das denn? Versteh ich nicht! Was soll ich nur tun?“ Damit hätten wir schon einmal die ersten wichtigen Fragen. Der ideale, selbstbestimmte Schüler würde sich nun, um den Text zu erschließen, die unbekannten Wörter markieren, sie nachschlagen und auch gleich Merklisten bzw. Vocab Sheets anlegen, um sie in seinen Wortschatz zu integrieren. Die Realität sieht aber meist anders aus: „Irgendwo muss es doch eine deutsche Übersetzung geben!“

Immerhin gelangt unser Schüler auf diese Weise zu einem gewissen Verständnis des Textes, woraufhin sich weitere Fragen stellen werden, deren Beantwortung dann zu einer tiefgehenden Interpretation führt. Der Schüler stellt also seine Fragen an den Text und entwickelt eine Strategie, diese zu beantworten. Ist die Aufgabe als Gruppenarbeit angelegt, werden innerhalb der Gruppe tiefschürfende Diskussionen um den richtigen Interpretationsansatz geführt. Dabei gilt es, kompetent auf zuvor Erlerntes (Stilmittel, Methoden der Textanalyse usw.) zurückzugreifen. Selbstverständlich plant er alle Arbeitsschritte zielgerichtet, nutzt die zur Verfügung gestellten Unterrichtsstunden effektiv und arbeitet auch zu Hause engagiert weiter, um dann am Ende das Erarbeitete in einer gelungenen Präsentation vorführen zu können.

Aber auch in Bezug auf diese Arbeitsschritte sieht die Realität meist anders aus: Die Unterrichtszeit wird in der Regel zum geselligen Beisammensein genutzt und zu Hause gibt es schließlich Besseres zu tun, als sich mit einer englischen Kurzgeschichte auseinanderzusetzen. So rückt denn der Abschlusstermin immer näher, woraufhin sich der Zeitdruck von Tag zu Tag mehr aufbaut und sich schließlich in einer überstürzten, meist gegen die verantwortliche Lehrkraft gerichteten Schockreaktion entlädt: „Das ist doch gar nicht zu schaffen! Wir sind hier nicht an der Uni! Was Sie schon wieder von uns erwarten!“ — Das wäre das noch eher freundlichere Feedback.

Selbst wenn eine Terminverlängerung vereinbart wird, so bleibt doch nur noch Zeit für die Notlösung: ein paar Mal kräftig googeln, gekonnt die Copy- und Paste-Tasten bedienen und ein zusammengeflicktes Konglomerat vor der Klasse vortragen, bei dem auch wirklich alle Zuhörer einschlafen, weil noch nicht einmal der Referent verstanden hat, wovon er redet.

Wenn der Lehrer nun wirklich autonom ist, dann lernt er aus solchen Episoden, dass die meisten Schüler noch mehr an die Hand genommen und beim Lernen geführt werden müssen, als so manchem Theoretiker lieb ist.

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