Ist das nicht herrlich? In Afghanistan sterben (nicht nur) deutsche Soldaten, die Bundeswehr (und mit ihr die Bundeswehrstandorte) steht vor der größten Umstrukturierung ihrer Geschichte, und die Öffentlichkeit muss sich damit auseinandersetzen, ob der Verteidigungsminister geschummelt hat.
Interessant ist an dieser ganzen Geschichte das Verteidungsmuster, in das der Freiherr jedesmal verfällt, wenn es darum geht, persönlich Verantwortung zu übernehmen. So z.B. in der Kundus-Affäre, in der mindestens 90 Zivilisten bei dem von Deutschen angeordneten Angriff auf von Taliban gestohlene Tanklastzüge ums Leben kamen. Erste Reaktion: „Ich stelle mich medienwirksam hinter meine Truppe, indem ich erkläre, dass dieser Angriff militärisch notwendig war.“ Zweite Reaktion, als diese Sichtweise nicht mehr zu halten ist: „Wie komme ich da wieder raus? Ach ja — mir sind Informationen vorenthalten worden; dann müssen natürlich Köpfe rollen, aber es ist immerhin nicht meiner.“ (Jedem Lehrer ist dieser Reflex sattsam bekannt: „Die Hausaufgaben konnte ich nicht machen, mir hat keiner gesagt, was auf war.“)
Man vergleiche seine Reaktionen zu den Plagiatsvorwürfen: Zunächst erst einmal Stillschweigen; schließlich hat man als Verteidigungsminister Wichtigeres zu tun. Wahrscheinlich war sein erster Impuls, ähnlich wie in der Kundus-Affäre zu verfahren: „Für die Fehler in der Doktorarbeit kann ich nichts, schließlich wurde sie von XY geschr… Upps.“
Deshalb nun eine neue Strategie, eine Presse-Erklärung vor ausgewählten Journalisten: Sehr schön zunächst der medienwirksame Einfall, den Doktortitel „ruhen“ zu lassen — so zeigt man Initiative! Aber auch die vorgeschaltete Erklärung hat es in sich: Ja, er habe Fehler gemacht; er bedauere jeden einzelnen zutiefst, aber seine Arbeit sei kein Plagiat. Bei so einer umfangreichen Arbeit, die parallel zu seinen Aufgaben als Bundestagsabgeordneter und Familienvater angefertigt wurde (man beachte das Passiv, das er fast durchgehend verwendet), könne schon mal die ein oder andere Fußnote verrutschen. (Auch hier wieder erstaunliche Parallelen zum Unterrichtsalltag an deutschen Schulen: Was, das halbe Referat ist Copy-and-Paste aus der Wikipedia? Also bei den Anforderungen, die derzeit an Schüler gestellt werden, kann es doch schon mal passieren, dass die Quellenangabe vergessen wurde. Außerdem hat es einem doch niemand richtig gesagt, dass man das so nicht machen darf.)
Abgesehen davon, dass es äußerst schwierig ist zu glauben, dass bei all den Passagen, die auf GuttenPlag aufgelistet wurden, die Quellenangaben durch den Druckfehlerteufel verschwunden sind, muss man sich fragen, wie jemand mit einem so ostentativ zur Schau gestellten Nichwissen in Bezug auf wissenschaftliches Arbeiten überhaupt bis zur Promotion gelangt ist: Doch, es ist ein Plagiat, wenn ich Zitate dieses Umfanges nicht kenntlich mache. Und wenn ich zu blöd dazu bin, dann fehlt mir schlicht und einfach die Eignung zum Studium.
Aber so kann man das natürlich nicht sehen. Ja, man hat Fehler gemacht. Ja, diese Fehler sind bedauerlich, aber in der Summe kann man dies doch dem armen Karl-Theodor nicht vorwerfen. Schließlich hat er sich zu der Zeit in äußerst schwierigen Lebensumständen befunden. Durch diese Argumentationsweise hat unser guter KT der Bedeutung „Verteidigungsminister“ eine interessante neue Dimensionen hinzugefügt, die ihm Generationen von Schülern danken werden.